Förderverein der Stiftung Menschen und Autismus - Lebensqualität durch Beziehung e.V.
Rainer Uschwa (1. Vorsitzender)
Pfarrer-Dengler-Strasse 11
93133 Burglengenfeld
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Tel.:09471/3173025
I. SITZUNG - ARBEIT MIT TON (12.11.2014)
Die erste Arbeit beinhaltet die Wesenszüge und Grenzen des anderen
kennen-zu lernen, sich auf eine gemeinsame Berührung einzulassen. Der Ton hat eine sehr starke taktile Berührungsqualität. In ihm zeichnen sich alle noch so feinen Spuren unserer ganz eigenen Art und Weise der
Welt zu begegnen ab.
Wir formen ein Gefäß in einem meditativen Prozess. Die "sinnfreie"
Arbeit scheint ungewohnt, während des Schaffens orientiert sich Gerald immer wieder an meinem Tun und lässt sich dadurch anstoßen weiterzuarbeiten. Um die Andersartigkeit der Gestaltung des Anderen zu erfahren reichen wir die Gefäße, die entstanden sind, herum. Dieser Erfahrung kann sich Gerald schwer öffnen. Er nimmt die fremden Gefäße sehr behutsam und reicht sie zügig weiter ohne dabei bewusst auf ihre Qualitäten einzugehen. Dabei driftet er mit seiner Aufmerksamkeit weg und wirkt etwas gestresst. Zu einem Zeitpunkt, da der Ton sehr nass ist animiere ich ihn zum Matschen. Nach kurzem Zögern tut er es mir gleich und es macht sich kindliches Entzücken in seinem Ausdruck breit. Er jauchzt und lacht vor sich hin.
Nach dem Tonen fordert er Papier und Stift und zeichnet Figuren. Der junge Mann, der ihn im Werkstatt-Alltag begleitet ist erstaunt, seiner Aussage zufolge male Gerald sonst meist nur Krickel-Krakel.
Fazit: Gerald kann sich unter den gegebenen Umständen gut auf die Berührung mit dem Ton einlassen. Er kann konzentriert arbeiten, wenn ihn jemand wohlwollend darin begleitet und bestärkt. Die Arbeit mit den Händen und das Bei-sich-bleiben scheinen förderlich zu sein, Gerald wird ruhig, weich und wirkt zufrieden auf mich.
II. SITZUNG - ERKUNDEN DES ARBEITSRAHMENS (26.11.2014)
Zeichnen auf großformatigem Papier "am laufenden Meter" und mit verschiedenen
Kreiden und Farben.
Gerald malt zunächst nur Krickel-Krakel bis ich ihn bitte sich hinzusetzen, um seinen Arbeitsrahmen einzugrenzen. Von diesem Moment an zeichnet er seine Figuren, großformatig (die Figuren sind so groß, wie es das Format zulässt und der vorhandene Raum wird effizient ausgenutzt) und am laufenden Band. Wenn das abgerollte Papier gefüllt ist fordert er neues. Die Figuren werden zunächst konturiert und dann durch Gekritzel übermalt. Sie besitzen Augen, Ohren, Nase, Mund, Haare, einen Körper und Füße.
Alle blicken nach
links. Auf mich wirkt der Ausdruck mancher Figuren weiblich oder männlich, freundlich oder grimmig, stumm oder rufend.
Als ich ihm ein großes Spektrum an Farben vorlege
vermalt er diese systematisch, indem er sie alle nacheinander aneinander kritzelt. Gebe ich ihm irgendeine Farbe, so benutzt er diese. Ich frage mich: "Gibt es spezifische Farbzuordnungen in ihm oder bestimmte Farben, die ihm
eigen sind?"und "Wie finde ich diese heraus?"
Fazit: Das Farb-Spektrum scheint zu groß, Gerald wirkt nicht besonders entspannt.
III. SITZUNG - KRISTALLISATION EINER GEMEINSAMEN ARBEITSTECHNIK (10.12.2014)
Ich entließe mich das Farbspektrum auf Gelb, Rot, Blau, Grün, Braun, Schwarz
zu beschränken und Farbkarten zu gestalten. Mittels dieser möchte ich später herausfinden, wie Gerald mit Farben umgeht und welche farblichen Zuordnungen die Bildbereiche seinerseits
finden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit das gemeinsame Arbeiten mit Pinsel und Farbe zu
üben.
Beim freien Malen setzt er alle Farben in dem für Ihn typischen Krickel-Krakel an- und übereinander. Seine Hand führend male ich mit ihm zusammen, von links nach rechts und umgekehrt. Die Bewegung scheint spürbar ungewohnt jedoch nach einer Weile entspannt sich Gerald dabei und wirkt plötzlich sehr ruhig.
Fazit: Der Umgang mit Acrylfarben ist Gerald vertraut und angenehm. Unsere Zusammenarbeit verläuft konzentriert und reibungsfrei. Gerald erwartet und folgt geduldig und achtsam meiner Anleitung sowie meinen Vor- und Nachbereitungen.
IV. SITZUNG - FORMEN-SPRACHE (17.12.2014)
Das Zeichenmaterial: Ich reduziere auf Wachskreide, da sie aufgrund ihrer
Stärke und ihres Widerstandes für Gerald gut handhabbar sind. Der Malraum ist heute begrenzt auf A4 Größe und zwei Papierfarben (Weiß und Grün). Geralds Stimmung an diesem Tag war angespannt und
gereizt.
Zunächst zeichnet Gerald systematisch auf ein Papier nach dem anderen, je eine Figur. Diese besitzen eine leere Kopf-Kontur und einen Körper, manchmal ohne Füße. Die Figuren werden sofort mit Krickel-Krakel überdeckt. Geralds Körperhaltung dabei ist angespannt, gebeugt und in sich gekehrt. Die Art und Weise seines Arbeitens ist aggressiv.
Ich zeichne verschiedene Formen und lege sie ihm vor. Sie werden uninteressiert mit Krickel-Krakel übermalt. Anders bei einer Kreisform, dessen Prinzip er folgt, wenn auch mit Kritzel-Zeichentechnik. Als ich ihm eine Spirale vorlege verändert er sein Zeichenprinzip völlig und beginnt der Form kringelnd zu folgen.
Ich zeichne mit ihm gemeinsam eine linksdrehende Spirale. Die gleichmäßige und zentrierende Bewegung erscheint ungewohnt. Nachdem wir uns beim Zeichnen aufeinander eingestimmt haben wird er sehr ruhig und scheint die Zusammenarbeit zu genießen. Daraufhin zeichnen wir die Spirale rechts-herum. Die Bewegung scheint schwieriger für Gerald und er muss sich mehr von mir führen lassen. Als er sich auf dieses Geführt-werden einlassen kann wird er derartig tief entspannt, als könne er gleich einschlafen.
Beim selbstständigen Weiterzeichnen fängt Gerald plötzlich an zu kichern und zu prusten und amüsiert sich über die Dinge um ihn herum. Er beginnt seine Bilder beidseitig zu bemalen. Bisher war die Rückseite der Papiere völlig uninteressant. Auf der ersten Seite zeichnet er wie bisher eine Figur, wobei seine Körperhaltung wieder gebeugt und angespannt ist. Allerdings ist seine Art und Weise nicht so aggressiv wie zu Beginn der Sitzung. Dann dreht er das Blatt, zeichnet auf die Rückseite einen Punkt und darum eine linksdrehende Spirale. Dabei richtet er sich in seiner Haltung deutlich auf und erscheint offener und gelöster.
Fazit: Kreis und Spirale berühren Gerald in positiver Art und Weise. Sie regen ihn dazu an, sich in seiner körperlichen Haltung aufzurichten und zu öffnen. Aus dieser Haltung heraus erweitert er selbst seinen Handlungsspielraum und integriert, offensichtlich begeistert, ein neues Element in seine Formen-Sprache.
V. SITZUNG - EXPERIMENTE ZUM FARB-EMPFINDEN (07.01.2015)
Gerald zeichnet zunächst einige seiner Figuren auf großformatiges Papier. Dann lege ich ihm die Farbkarten in unterschiedlichen Anordnungen hin und frage nach ihrer Verwendung.
Es zeichnet sich eine systematische Verteilung der Farbkarten ab, überwiegend von links nach rechts und von unten nach oben. Liegen die Karten stapelweise zu seiner Verfügung werden sie stapelweise von links nach rechts abgetragen und ebenso systematisch verteilt.
Biete ich ihm bestimmte Farbkarten an, so werden diese auf die gleiche Art und Weise verarbeitet. Es erscheint mir wie ein Baukasten-System.
Je weniger ich einwirke, desto klarer wird die Ordnung.
Als ich ihm alle Karten ungeordnet offen hinlege beginnt er zu kichern und amüsiert diese farblich aneinander zu reihen. In diesem Falle geht es ausschließlich um die Ordnung der Dinge und diese hat keinen Bezug mehr zu den Figuren auf dem Bild darunter.
Fazit: Ordnung ist sehr wichtig und befriedigt. Sobald Gerald sich in einem gefestigten Rahmen befindet und gut in Beziehung zu den ihn umgebenden Menschen ist, kann er Chaos als Herausforderung annehmen und einen spielerischen Umgang damit finden, ohne dabei in Stress zu verfallen. Der Bezug zu einer bestimmten Farbe oder Farb-Anordnung hat sich mir bisher nicht erschlossen.